von Stefan Franke


Man kennt folgendes Szenario, gerade bei RV-Neulingen: Es wird irgendein zufälliges Foto herausgesucht (meist aus dem Internet), welches dann als Target dienen soll. In vielen Fällen funktioniert das auch ganz gut. Allerdings begegneten erfahreneren Viewern im Laufe der Zeit einige Stolperfallen, die beachtet werden sollten.


Eine Frage des Motives

Zuerst wäre es das Target-Foto an sich: Wir empfehlen, stets selbst geschossene Fotos zu verwenden, oder solche, wo die Hintergründe eindeutig bekannt bzw. bestätigt sind. Denn der Viewer beschreibt bekanntlich nicht das Foto an sich, sondern begibt sich zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Szenerie hinein. Somit können auch Aspekte auftauchen, die nicht innerhalb des Fotos zu sehen sind, aber die Aufmerksamkeit des Viewers fesseln. Man stelle sich z.B. ein Foto einer friedvollen, idyllischen Park-Ecke vor, doch im Gebüsch knapp außerhalb des Fotos wird gerade jemand ausgeraubt; wenn der Viewer mit seiner Aufmerksamkeit nun auf dieses (definitiv interessantere) Event in dem Szenario gezogen wird, könnten die abgebildeten Aspekte verständlicherweise in den Hintergrund treten. In Solo-Sessions oder Sessions mit unerfahrenen Monitoren wird diese Abweichung nicht erkannt bzw. eventuell notwendige Bewegungsübungen vergessen.

Ein weiteres Problem von Target-Fotos unbekannter Herkunft ist, dass sie nachbearbeitet oder überhaupt erst digital zusammengestellt sein könnten. Dazu zählen ausgeschnittene Produktfotos, geschönte Werbefotos (z.B. aus Reiseangeboten), oder Motive mit virtuellen Elementen. Auch komplett computergenerierte Bilder, welche heutzutage für das ungeschulte Auge oft fotorealistisch aussehen, werden verwirrende Ergebnisse liefern. Denn während vom (künstlichen) Motiv an sich kaum etwas rüberkommt, tauchen in der Regel Aspekte der künstlerischen Absicht dahinter, oder des Entstehungsprozesses auf (z.B. die Computer-Hardware, auf welcher das Motiv generiert wurde).

Wenn Targets schmutzig gemacht werden

Kommen wir nun zu einem kaum bekannten Aspekt unter Neulingen, aber auch unter erfahreneren Viewern: Es geht um die Gefahr der “Target-Kontamination“. Was soll das sein? Wir haben in diversen Praxisbeispielen festgestellt, dass unsaubere oder abgelenkte Gedanken während des Taskings (Target-Erstellung), das Target falsch “prägen“ können. Denn offenbar können dominante Gedanken ein Target-Foto oder eine Target-Formulierung so stark “überstrahlen“, dass nur noch ein Teil oder garnichts mehr davon geviewt wird.

Als Devise gilt, im Moment der Target-Erstellung möglichst nur an das Target bzw. die Target-Absicht zu denken, und es nicht beiläufig neben anderen Beschäftigungen (auch gedanklich) zu tun. Das bedeutet nicht, dass man während einer Target-Erstellung nicht den üblichen, unbewussten Gedankensalat im Hinterkopf haben darf (sowas lässt sich natürlich nie ganz vermeiden). Es ist nicht so, dass man es deshalb ständig mit kontaminierten Targets zu tun hat. Aber man sollte mit seiner Aufmerksamkeit schon wirklich bei dem sein, was man gerade tut. Hier einige konkrete Beispiele von Target-Kontamination (von nicht eingetroffenen Welt-Untergängen aus Übersee mal ganz abgesehen...):

Atomkraftwerk vs. IP-Kamera:

In dem Fall ließ sich der Viewer auf eine Session ein, die ein Nicht-Viewer getasked hat (was man besser nicht tun sollte). Als Target wurde ein Foto eines Atomkraftwerkes genommen. In der Session hingegen wurde ganz akkurat und ohne Interpretationsspielraum eine Videoüberwachungskamera beschrieben, welche hinten eine Antenne hatte. Natürlich wurde das als Fehlschlag interpretiert, bis sich auf Nachfrage herausstellte, dass der Target-Ersteller im Moment der Erstellung ganz stark daran dachte, sich eine IP-Überwachungskamera anzuschaffen (Kamera mit drahtloser Übertragung per WLAN), da kurz vorher in seiner Umgebung eingebrochen wurde. Dieser dominante Gedanke, welchem auch noch starke Emotionen anhingen, kontaminierte in dem Fall das Target völlig, weil rein garnichts von dem eigentlichen Target-Foto (nichtmal die einfachsten, sensorischen Eindrücke) identifiziert werden konnte.

Target-Kontamination: IP-Kamera

 

Ritterburg vs. Schaumbad-Sehnsucht:

Hier war der Effekt nicht ganz so spektakulär, allerdings auch offensichtlich. Es war spät abends in einer Skype-Konferenz, und ein (noch unerfahrener) Tasker wollte ein Übungstarget erstellen, welches an dem Abend noch abgearbeitet werden sollte (wir hatten zu der Zeit immer regelmäßige Übungssessions und Projekte). Allerdings drängte der Tasker schon, dass wir uns endlich für eine Session entscheiden sollten, denn er wollte an dem Abend noch ein heißes Schaumbad nehmen. Da bei ihm ab Mitternacht kein heißes Wasser mehr kommt, hatte er es damit sehr eilig. Er erstellte also ein Übungstarget, welches die Luftaufnahme einer Ritterburg war, dachte aber dabei vorrangig an sein eilig einzulassendes Schaumbad.

Die darauffolgende Solo-Session eines Viewers zeigte dann hauptsächlich Aspekte vom Mauerwerk und von interessanten Strukturaspekten der Ritterburg. Allerdings tauchte im letzten Abschnitt des Stufe 1-Ideogramms etwas völlig anderes auf; nämlich weißer, blasiger, warmer Schaum. Das wurde vom Viewer sogar durch das AUL “Badewasser mit Schaum“ bekräftigt, weil es völlig unpassend zu den anderen Abschnitten im Ideogramm wirtke. Hier ist die Schaumbad-Absicht wohl in das Target mit eingeflossen, und hat einen klar abgegrenzten Teil davon “kontaminiert“. Dieser Fall zeigt, dass Targets bei unsauberem Tasking offenbar nicht nur völlig “überschrieben“ werden können, sondern manchmal auch nur Teil-Kontaminationen enthalten.

Target-Kontamination: Badeschaum

 

Übereinanderliegende Target-Umschläge:

Neben der Target-Kontamination durch den Tasker, sind auch mehrere Fälle bekannt, in denen sich Target-Umschläge gegenseitig kontaminierten, wenn sie längere Zeit übereinanderlagen. So schienen sich die enthaltenen Targets zu vermischen, oder gar gegenseitig auszuwechseln, wenn ein Target längere Zeit in einem Umschlag gelegen hat, welcher dann kurzfristig für ein anderes Target benutzt wird. Um diesem Effekt vorzubeugen, legen wir die Target-Umschläge vor einem Training oder Projekt immer eine Weile auseinander, um sie sozusagen “auszulüften“. Dieses Vorgehen scheint eine gut funktionierende Maßnahme zu sein.

Da wir auch immer mehr digital abgespeicherte Target-Pools benutzen (z.B. in PDF-Form), fragten wir uns, ob dieser Überlagerungseffekt auch in virtuellen Computer-Verzeichnissen auftreten kann. Bisher konnten wir jedoch keine solche Auswirkung feststellen. Jedoch ist es auch häufig so, dass scheinbar zusammengehörige Daten physikalisch an unterschiedlichsten Stellen des Datenträgers abgelegt sind. Hier besteht jedoch auch noch weiterer Forschungsbedarf. Im Zweifel sollte man die Targets ausdrucken, und zum “Lüften“ entsprechend auseinanderlegen, wie bei den klassischen Targets in Umschlägen.

Target-Kontamination: Umschläge 

 

Target-Kontamination als Ausflucht für nicht getroffene Targets?

Skeptiker und Fachfremde könnten hier anbringen, dass nicht getroffene Targets durch das Argument der Target-Kontamination gerechtfertigt würden. Auf den ersten Blick ein durchaus verständliches Argument, denn wo Ego und Selbstidentifikation im Spiel sind, werden Leistungen geschönt bzw. zurechtgebogen, und davon bleibt auch die Remote Viewer-Szene nicht verschont. Allerdings muss man sich hier fragen, was es für die Forschung und auch die Selbstehrlichkeit bringt, wenn man schon triviale, verunglückte Trainings-Sessions auf diese Weise verbiegen möchte.

Erfahrene Viewer wissen um die Tücken des Remote Viewings, und dass es auch von der Tagesform abhängen kann. Daher sollten Fehlschläge eher als Lernmöglichkeit angesehen werden, und nicht als Versagen. Deshalb ist dieser Artikel auch als Erfahrungsbericht zu Praxisfällen von Target-Kontamination gedacht, was zugleich den großen Forschungsbedarf in dem Bereich aufzeigt. Denn es wären durchaus Testreihen mit absichtlich kontaminierten vs. ordnungsgemäß getasketen Targets machbar, um dieses Phänomen tiefergehend zu erforschen. Letztlich zählt jedoch sauberes und durchdachtes Tasking, was wohl (neben einem guten Monitoring) das Wichtigste ist, um die Mühen des Viewers zu ehren.